Das sollte man sich bei einer Diskussion mit Omnivoren (Allesesser) immer vor Augen halten um die Gemüter nicht so hoch kochen zu lassen. Das passiert angesichts des vielen Leids das verursacht wird ansonsten sehr schnell.
War man denn selber immer schon so?
Kaum ein Vegan lebender Mensch ist so auf die Welt gekommen und von Geburt an tierleidfrei gewesen. Ich selber bin erst mit 43 Jahren vegan geworden. Vorher fand ich Fleisch zwar immer schon seltsam aber habe das Grauen und den Tod, der damit verbunden ist auch, wie alle anderen verdrängt. Bis dahin fand ich Veganer*innen echt verrückt.
Wer hat Schuld?
Daher ist der Umgang mit Omnis gar nicht so einfach, deren Umgang mit Veganer*innen ebenso schwierig. Auf der einen Seite sind sie für sehr viel Tierleid und Tod verantwortlich und auf der anderen Seite wachsen wir in einer Gesellschaft auf in der die Verdrängung dieses Leids allgemeiner Konsens ist. Wie soll man da Zweifel bekommen, wenn alle um einen herum das Töten, Vergewaltigen und Leid als normal ansehen, nur weil es bei Tieren statt findet.
Wieso spalten diese Diskussionen die Menschen so sehr?
Ich glaube das liegt an verschiedenen Punkten, die ich hier mal durchspielen will.
1. Omnivore haben ständig ein latent schlechtes Gewissen.
Eigentlich wissen die meisten Menschen wie das Tier behandelt wird bevor es auf ihrem Teller landet. Und genau deshalb verdrängen sie es gerne oder reden es sich schön indem sie das Lieblingsargument verwenden: „Ich esse nur Bio-Fleisch von glücklichen Tieren aus der Region!“ oder so ähnlich. Das hat mir bis jetzt eigentlich jeder gesagt als er erfahren hat, dass ich vegan bin. Wenn man aber mal ehrlich ist, dann gibt es diese Bio-Tiere aus glücklicher Haltung von der grünen Wiese um die Ecke (weil regional) nicht in ausreichender Menge, als dass man so viele Menschen, nämlich alle mit denen man spricht, damit verköstigt werden könnten.
Vergessen wird dabei auch gerne, dass es nicht nur um das Fleisch an sich geht sondern auch um die Nebenprodukte wie Gelatine in Gummibärchen (gibt es die inzwischen auch als Haribo Bio von der grünen Wiese um die Ecke?) oder zum klären von Fruchtsäften oder Wein. Es gibt eigentlich fast keine Produkte mehr in denen nicht irgendwie ein Teil vom Tier landet, wohlgemerkt das Tier von der grünen Wiese um die Ecke (Ei im Brot/Brötchen um die Bräune beim backen zu verbessern, Laktose für den Teig um ihn geschmeidiger für die verarbeitenden Maschinen zu machen, Milchpulver in Schokolade, Leder für Schuhe und Jacken oder Autositze…).
Und dann darf man nicht vergessen, dass am Ende jedes Tier, egal ob es vermeintlich glücklich auf der grünen Wiese um die Ecke gehalten wurde, sterben muss, um für unseren Geschmack her zu halten. Nicht nur jetzt zu Coronazeiten sieht man was für ein übles Geschäft das töten von Tieren ist.
Das alles muss ein omnivor lebender Mensch ständig verdrängen und von sich weisen. Daher kommt meiner Meinung nach auch die sehr heftige Reaktion auf Veganer*innen. Stoßen diese einen doch direkt mit der Nase in diesen so gerne verdrängten Haufen von Scheiße und zeigen einem auf, dass es auch anders geht.
2. Veganer*innen sind was das Thema angeht extrem vorgespannt.
Viele vegan lebende Menschen sind aus ethischen Überlegungen vegan geworden. Sie stellen die Würde eines Tieres ähnlich hoch oder gleich hoch wie die des Menschen. Ein Tier zu töten oder zu quälen fühlt sich für sie wie der Missbrauch eines Menschen an. Wenn dann argumentiert wird, „weil’s schmeckt“ dann wird die Luft verständlicherweise sehr schnell sehr dünn.
Zudem haben sich viele Veganer*innen inzwischen eine brutale Wortwahl angeeignet, die alleine schon ausreicht um den Gegenüber zu provozieren. Da wird von „Mördern“, „Kadavern“ und „Tierleichen“ gesprochen, was den Omnivoren natürlich in ein sehr schlechtes Licht stellt.
Wer das als Omnivor verstehen will, der kann sich ja mal vorstellen wie er/sie selber reagieren würde wenn man ein Kind misshandelt. Wie würdet ihr dem Täter gegenüber reagieren? Genau so geht es einem vegan lebenden Menschen wenn er sieht wie Tiere misshandelt werden. Und leider ist diese Behandlung von Tieren und deren Ausbeutung immer und überall zu sehen. Wir Veganer*innen können uns dem nur sehr schlecht entziehen.
Zusätzlich sehen viele Veganer*innen, wie durch den hohen Tierkonsum weltweit die Klimakatastrophe angeheizt wird, wir also durch diesen Unsinn, Tiere essen zu müssen, sogar unseren eigenen Planeten und somit unsere Lebensgrundlage zerstören.
Es braucht wirklich extrem viel Zurückhaltung um bei so einer Diskussion als Veganer*in ruhig und sachlich zu bleiben.
Was können wir als Veganer*innen also tun?
Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Ich selber versuche mich auf jeden Fall beim Wording zurück zu halten, da es für mich nicht wichtig ist mein Gegenüber als Mörder zu betiteln. Ich möchte jemanden überzeugen und nicht abwerten, zumal ich mich noch gut an die Zeit erinnern kann zu der ich selber noch Tierleichen/Kadaver auf den Grill geschmissen habe.
Meine Devise ist es daher, immer wieder vor zu leben wie man vegan leben kann, welche Möglichkeiten es gibt und zu zeigen, dass man weder Mangel leidet noch „der Sex des Alters“, das Essen, dadurch schlechter wird. Es ist eher anders rum, es ist als ob man plötzlich zum 0815 Sex auch noch Tantra dazu lernt. Es ergibt sich eine viel weiter gefächerte Auswahl an Geschmäckern und Möglichkeiten.
Und trotzdem werde ich immer wieder an getriggert von Meldungen in den sozialen Netzen und dann schreibe ich eben auch meine Meinung, oft um die Veganer*innen in dem Thread zu unterstützen oder um einfach Falschbehauptungen richtig zu stellen. Das war ja auch der eigentliche Grund diese Seite hier zu starten um nicht immer wieder die gleichen Sachen schreiben zu müssen.
Viele Menschen denken in Anbetracht dieses unendlichen Unrechts an den Tieren müsse man zu drastischeren Mitteln greifen, als einfach nur vorzuleben. Das kann ich gut verstehen und ich bin auch ein Fan von radikalen Lösungen, solange sie gewaltfrei sind. Daher darf es auch mal hart in der Argumentation sein solange das die Ausnahme der Regel ist. Ohne radikale, und Veganer*innen sind in meinen Augen schon radikal in ihrer Konsequenz, Menschen würde sich nichts ändern.
Die erfolgreichste Methode ist glaube ich das Appellieren an die Gefühle. Statt Mörder und Leichenteile in die Diskussion einzuführen kann man vielleicht das Bild der Milchkuh und ihres frisch geborenen Kalbes aufzeigen, das seiner Mutter sofort nach der Geburt entzogen wird und ohne diese aufwachsen muss, nur um uns die Milch im Kaffee zu ermöglichen. Auf dem Land kennt man diese Muh-Schreie der Kälber und der Muttertiere, die tagelang und auch in der Nacht nach ihrer Mutter oder dem Kalb „schreien“.
So können wir glaube ich alle zur nötigen Veganwerdung beitragen.